Kunde im Mittelpunkt – oder die andere Geschichte vom Hasen und dem Igel

„Der Kunde steht bei uns im Mittelpunkt“, „Alles dreht sich bei uns um die Kunden“ oder „Der Kunde ist das Wichtigste für uns“ – solche und ähnliche Aussagen hört man sehr oft von Unternehmen. Niemand würde dem auch widersprechen. Schließlich sind es ja die Kunden, die den Umsatz machen und die Rechnungen bezahlen.

Wer allerdings im Vertrieb arbeitet wird solche Sätze selten hören (außer vielleicht vom Vetriebsleiter zum Jahresauftakt). Im Vertrieb geht es um das Verkaufen. Um was denn sonst? – wird der eine oder andere einwenden. Und genau das ist das Problem.

Kaufen statt Verkaufen

Das Verkaufen ist zumindest im B2B-Vertrieb nicht der entscheidende Faktor. Oder besser gesagt, sollte es nicht sein. Entscheidend ist nämlich, dass der Kunde kauft. Das ist keine Haarspalterei, sondern ein gewaltiger Unterschied.

Das Kaufen steht am Ende eines oft langen Prozesses. Und da fängt die andere Sichtweise an. Wer immer darüber nachdenkt, wie er einem Kunden etwas verkauft, denkt immer nur an den nächsten Schritt – vielleicht noch an die nächsten zwei oder drei. Weiter geht es nicht, denn je weiter ich vom Jetzt in die Zukunft denken möchte, desto mehr Spekulation wird dies beinhalten. Das ist ganz normal. Wenn man heute das erste Mal Kontakt mit einem Kunden hat, dann liegen unter Umständen noch 12 Monate oder mehr vor einem bis eine finale Entscheidung getroffen wird. Die heutige Situation ist bekannt und das Ziel ebenfalls: der Kauf. Alles was dazwischen liegt ist zu diesem Zeitpunkt eher Spekulation.

Dann wäre es doch eigentlich naheliegend, dass man sich damit beschäftigt, genau die Situation herzustellen, die am Ende dazu führt, dass der Kunde kauft. Der Weg ist nicht klar, sondern das Ziel.

Die meisten haben mit diesem Gedanken ein großes Problem, denn so wird klar, dass es kein Schema F gibt, nach dem der Vertrieb vorgehen kann, damit am Ende mit einer großen Wahrscheinlichkeit der Erfolg steht. Stattdessen gibt man sich der Illusion hin, wenn man nach Konzept ABC vorgeht, jeden Schritt vorgibt etc., dann wird die Erfolgswahrscheinlichkeit gesteigert. Je komplexer das eigene Produkt und der Vertriebsprozess ist, desto weniger trifft dies allerdings zu.

180 Grad statt 360 Grad

Seit Jahren wird die 360-Grad-Sicht auf den Kunden propagiert – insbesondere von CRM-Herstellern. Das soll den Vertrieb erfolgreicher machen. Eine Studie oder Statistik, die das auch belegt, gibt es nicht. Es wird damit argumentiert, dass der Vertrieb besser auf den Kunden eingehen kann, wenn er einen möglichst umfassenden Blick auf ihn hat. Klar, ist es von Vorteil zu wissen, welche Kundenbeschwerden vorliegen, bevor man dem Kunden ein neues Produkt verkaufen möchte. Aber hilft das wirklich beim Verkaufen? Selbstverständlich sollte das Kundenverhältnis nicht vorher zerrüttet sein, aber darüber hinaus wird es dünn mit den Argumenten.

Der Vertrieb braucht gar keine 360-Grad-Sicht. Es reicht vollkommen aus, wenn er versteht, was auf der Kundenseite passiert. Er sollte nicht eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden haben, sondern seine Sichtweise um 180-Grad drehen und den Prozess aus der Kundensicht betrachten.

Das bedeutet es tatsächlich, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Es bedeutet, vom Kunden her zu denken, und nicht den Kunden wie in einem Gehege im Zoo von allen möglichen Seiten zu betrachten.

Was ist das Ziel des Kunden – und wie kommt er da hin

Selbstverständlich hat der Vertrieb ein bestimmtes Angebotsportfolio. Er kann nicht alles anbieten, was der Kunde eventuell brauchen könnte. Die erste Frage ist dennoch, welche Ziele der Kunde hat. Die zweite Frage ist, wie man ihn mit seinem eigenen Angebot dabei unterstützen könnte, diese Ziele zu erreichen.

Wenn das klar ist, kann man anfangen vom Ziel her zurück zu denken, bis zu dem Punkt, wo der Kunde im Moment ist. Selbstverständlich ist das kein linearer Weg. Gerade die Prozesse, die verschiedenen Interesse und sonstigen Unwägbarkeiten auf der Kundenseite zwingen einen dazu, auch Umwege zu gehen. Diese muss man so früh wie möglich identifizieren, um sie im weiteren Verlauf zu berücksichtigen.

Der Igel und nicht der Hase sein

Viele Leute im Vertrieb machen den Fehler, dass sie glauben, sie müssten am besten immer Vollgas geben, sobald sie mit einem Kunden Kontakt haben. Sie denken immer von Sprint zu Sprint. Der Weg ist aber noch lang und auf diese Weise hat man mehr Frust als Erfolg.

Wenn man die Herangehensweise ändert, dann ist man schon da, wo der Kunde erst hin möchte und begleitet den Kunden da hin. Selbstverständlich ist man nicht passiv, sondern lenkt und nimmt Einfluss auf die Entscheidungen, die auf der Kundenseite getroffen werden. Das macht den modernen Vertrieb aus.

Wer es dann noch versteht, moderne Mittel aus dem Marketing einfließen zu lassen, der ist im modernen Vertrieb tatsächlich ankommen. Und hat mehr Erfolg als derjenige, der nur seinen eigenen Zielen hinterher hechtet.

 

 

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